Modellnamen sind schon ein Hund. Nicht nur aus markenrechtlichen Gründen. Hinlänglich bekannt aus Marketingbüchern sind die Case Studies zu mächtigen und kostspieligen Faux-Pas, die in diesem Bereich begangen worden sind, komischerweise meistens von Autoherstellern (zB Mitsubishi Pajero = 'Wichser' in manchen südamerikanischen Ländern, Ford Pinto = 'kleines Genital' in Brasilien); es ist also sinnvoll, sich eingehend mit dem Namen eines neu zu lancierenden Produkts auseinanderzusetzen, auf dass dieser nicht nur Fettnäpchen vermeiden, sondern auch als wertsteigernder Beitrag zum Gesamtprodukt Geltung finden kann.
Nun haben die letzten 3 Jahre eine - steigende - Flut an neuen Geräten für die Android-Plattform gebracht, und all die schönen Smartphones wollen ja auch benannt werden. So wie auch in anderen Branchen ist auch im Mobilfunkbereich die Herangehensweise eine recht heterogene; der unbeirrt am absteigenden Ast von einer Fehlentscheidung zur nächsten heruntertorkelnde (Noch-)Riese Nokia hat es sich ja in den letzten Jahren scheinbar zur Aufgabe gemacht, mit einer unüberschaubaren und verwirrenden Myriade an Modellen das Angebot an 4stelligen Zahlen bis aufs letzte auszureizen; neuerdings macht man einen auf Schifferl-Versenken und bringt scheinbar nach dem Zufallsprinzip zusammengewürfelte, koordinatenähnliche Modellnamen (N8, E7, X8, etc.)
Bei Android-Phones scheint das anders zu sein, hier fühlt man sich ins Kindesalter zurückversetzt, wird auf fast schon entmündigende Art und Weise mit Modellnamen belästigt, die wohl eher einem Disneyfilm-Drehbuch entsprungen zu sein scheinen als der konzertierten Anstrengung der Produktmarketing-Abteilungen großer, transnationaler Technologiekonzerne. Blumigsüße Fantasienamen und in extremis gesteigerte Superlative (warum denn bloß Galaxy, ihr Samsung-Fritzen, und nicht gleich Universe?!) suggerieren eher eine halbverzweifelt nach Aufmerksamkeit heischende Marktstandler-Herangehensweise denn eine wohldurchdachte, auf Langfristigkeit ausgelegte Strategie, die den absoluten Sexyness-Champion in diesem Bereich - das iPhone - vom Thron stoßen könnte.
Dabei ist aber gerade diese Sexyness NICHT einer pubertär wirkenden, verkrampft-spektakulären Namenspolitik geschuldet. Sieht man von der Computersparte ab, so kann man Apples Markenstrategie der letzten Jahre auf den simplen Buchstaben 'i' herunterbrechen. iPod, iPhone, iTunes, iPad, iMusic, iBook, iBooks, iLife, iBoy, iBlablablah... Was so ein einzelner Buchstabe alles bewirken kann. Ich bin mir sicher dass schon etliche Abhandlungen zum marketingtechnischen Aspekt dieses harmlos erscheinenden Buchstabens gegeben hat. Und da ich persönlich von Apple nicht wirklich viel halte viel ich auch nicht allzusehr darauf eingehen.
Aber dieses 'i', eingebettet in ein kohärentes und von von A bis Z durchdachtes Produktkonzept, enthält mehr Macht als all die pompösen, schwülstigen - Oxymoron voraus! - fantasielosen Fantasienamen. Dabei bietet die Produktwelt Beispiele sonder Zahl dafür, dass Fadesse und Biederkeit in Sachen Namensgebung absolut erfolgversprechend sein können. Den hyperlangweiligen 'Golf' gibt es mittlerweile seit knapp 40 Jahren, genauso wie die BMW's der 3er, 5er und 7er Serien; das 1992 von IBM eingeführte 'ThinkPad' war dermaßen erfolgreich, dass es 2005 im Zuge der Übernahme der IBM-Computersparte durch Lenovo beibehalten worden ist. Und all diese Produkte zeichnen sich durch Beständigkeit, Verlässlichkeit, Qualität und Unverwechselbarkeit aus.
Dass (auch verspielte) Originalität und Erfolg in Sachen Namensgebung keinen Widerspruch darstellen müssen zeigt die Release-Benennung der Linux-Distribution Ubuntu, bei der jede neue Version mit einem der alphabetischen Reihenfolge entsprechenden Tiernamen samt dazugehörigem Adjektiv versehen wird.
Ich werde in Kürze Besitzer des Galaxy S2 (das als erstes Smartphone die Note 9/10 bei Engadget erhalten hat und an dem sich auch das wahrscheinlich im September erscheinende neue iPhone technisch und designmäßig viele Zähne ausbeißen wird) sein und damit mein Legend ersetzen können. Beides sind tolle Geräte und sie hätten auch 'Blablairgendwas', 'Gibberish' oder '9164873' heißen können, das wär mir ziemlich egal gewesen. Und es ist ja verständlich, dass im durch brutale Konkurrenz geprägten, rasant wachsenden Android-Biotop (das ja insgesamt Apple vor Kurzem als führende Plattform abgelöst hat) die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen zwecks Abgrenzung von den anderen Herstellern eine hohe Priorität hat, um nicht als einer von vielen wahrgenommen zu werden (während das iPhone im iOS-Biotop eines von einem ist); aber es sollte auch klar sein, dass Clearasil-Duft und Kaugummi-Aroma versprühende, beliebig austauschbare 08/15-Namen, deren Urheberschaft gefühlsmäßig eher in Volksschulklassen denn in professionellen Marketingabteilungen anzusiedeln ist, in den Augen des durchschnittlichen Kunden sicherlich niemals jene markentechnische Raffinesse und Durchschlagskraft entwickeln KANN, die ein schlichtes, die Leichtigkeit des Seins versprühendes 'i' schwere- und mühelos zu entfalten imstande ist.
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